Stahlinstitut VDEh https://vdeh.de/informationen-publikationen/nachlese-metec-und-6th-estad/ – 30.09.2023

Nachlese METEC & 6th ESTAD


VDEh begrüßte über 1.300 Teilnehmer zur 6. ESTAD

zum Vergrößern der Bilder, diese bitte anklicken

Vom 12.-16. Juni 2023 fand in Düs­sel­dorf mit der „METEC & 6th ESTAD“ wieder die größte Eisen- und Stahl­kon­fe­renz Europas statt. Das Stahl­in­stitut VDEh richtete die Kon­fe­renz parallel zur Metall­urgie-Leit­messe METEC aus, die Teil des Messe-Quar­tetts GIFA, METEC, THERM­PRO­CESS und NEWCAST war. Diese „Bright World of Metals“ und die ESTAD machten Düs­sel­dorf für eine Woche wieder zum metall­ur­gi­schen Nabel der Welt. Allein zur Kon­fe­renz kamen 1.300 Teil­nehmer aus über 40 Ländern.

Große Resonanz bei der Keynote-Session

Als der VDEh vor zehn Jahren die European Steel Tech­no­logy and App­li­ca­tion Days (ESTAD) gründete, sollte damit eine euro­pä­i­sche Metall­urgie-Kon­fe­renz als Pendant zu den großen Kon­gressen in Nord­ame­rika und Asien ent­stehen. Die Idee war eine Leit­kon­fe­renz, auf der Stahl­her­steller, Zulie­ferer, Anwender, Uni­ver­si­täten, For­schungs­in­sti­tute und Anla­gen­bauer zusam­men­kommen. Der Plan ging auf: Von Beginn an war die Resonanz auf das neue Kon­fe­renz­kon­zept groß, und auch in diesem Jahr war die ESTAD mit knapp 550 Vor­trägen wieder die größte Stahl­kon­fe­renz Europas. Stahl­ex­perten von 240 Unter­nehmen aus 33 Ländern hielten Vorträge zu den Themen Iron­ma­king, Steel­ma­king, Rolling & Forging, Industry 4.0, Steel Mate­rials und Hydrogen-based Steel­ma­king. Die stärksten Länder waren Deut­sch­land, Öster­reich, Italien und Schweden – die Nationen, aus denen die Koope­ra­ti­ons­partner VDEh, ASMET, AIM und Jern­kon­toret sowie die größten Stahl­in­dus­trien Europas kommen. Jenseits des Atlan­tiks waren die USA, Kanada und Bra­si­lien stark ver­treten, aus Asien vor allem Südkorea und Japan. Bran­chen­mäßig lag der Anla­genbau ange­sichts der anste­henden Trans­for­ma­tion vorne.

Schirmherrin Heike Denecke-Arnold bei der Konferenzeröffnung

Trotz der breit gestreuten The­men­felder stand die ESTAD in diesem Jahr unter dem Vor­zei­chen „Was­ser­stoff­ba­sierte Stahl­her­stel­lung“. Davon zeugte nicht nur die eigene Kon­fe­renz-Session mit über 100 Vor­trägen, sondern auch eine ganz­tä­tige Keynote-Session unter dem Motto „The steel industry on its way to green steel“. Der VDEh konnte knapp 20 hoch­ran­gige Ent­schei­dungs­träger dafür gewinnen, ihre Stra­te­gien und Lösungen für eine CO2-neutrale Zukunft vor­zu­stellen. Das Gros dieser Refe­renten kam aus Europa, aber mit Ronald Ashburn von der AIST und Shin Myounkyung von POSCO wurden z. B. auch ame­ri­ka­ni­sche und süd­ko­re­a­ni­sche Zukunfts­pläne prä­sen­tiert.

Henrik Adam, Vorsitzender Stahlinstitut VDEh, im TV-Interview

Nach einem Get-together am Vorabend der Kon­fe­renz, eröff­nete Schirm­herrin Heike Denecke-Arnold, COO thys­sen­krupp Steel Europe, die Ver­an­stal­tung offi­ziell am Morgen des 13. Juni mit einem Vortrag über die ESTAD-Historie mit ihren ein­drucks­vollen Daten und Fakten. Sie betonte, dass die ESTAD für die Trans­for­ma­tion der Stahl­in­dus­trie genau zur rich­tigen Zeit käme. Auch Henrik Adam, Vor­sit­zender des Stahl­in­sti­tuts VDEh, hob die bedeu­tende Rolle der METEC & ESTAD bei der Trans­for­ma­tion hervor: Kon­fe­renzen wie auch Messen seien ein Dreh- und Angel­punkt für Kom­mu­ni­ka­tion, Ideen und Know-how. Menschen aus der ganzen Welt – im Falle der ESTAD aus über 40 Ländern – kommen zusammen, um sich wei­ter­zu­bilden, Netz­werke zu knüpfen sowie Mei­nungen und Argu­mente aus­zu­t­au­schen. Damit stelle sie einen wich­tigen Baustein für die Trans­for­ma­tion dar. Sie werde die Bühne sein, die euro­pä­i­sche Trans­for­ma­tion der Welt zu prä­sen­tieren, denn die CO2-Neu­tra­lität darf nicht an unseren Grenzen enden, so Adam. Dies betonte auch Gast­redner Karsten Pinkwart, Mitglied des Nati­o­nalen Was­ser­stoffrates, in seinem Opening über Erzeu­gung, Trans­port und Lagerung von Was­ser­stoff.


„Die METEC und 6. ESTAD kommt für die Transformation der Stahlindustrie genau zur richtigen Zeit!“

Dr. Heike Denecke-Arnold,
Konferenz-Schirmherrin und COO thyssenkrupp Steel Europe


„Die METEC und 6. ESTAD ist ein Dreh- und Angelpunkt für Ideen, Meinungen und Argumente.
Damit stellt sie einen wichtigen Baustein in der Transformation der Stahlindustrie dar.“

Dr. Henrik Adam, Vorsitzender Stahlinstitut VDEh


Wasserstoff-Experte Karsten Pinkwart während seiner Keynote

Im anschlie­ßenden Programm der ganz­tä­gigen Keynote-Session zur CO2-Neu­tra­lität stellten Ent­schei­dungs­träger aus Stahl­in­dus­trie, Anla­genbau und Ver­bands­a­r­beit ihre Konzepte und Lösungen auf dem Weg zum grünen Stahl vor. An dieser Stelle können nur einige exem­pla­risch erwähnt werden:

Peter Juchmann, Leiter Tech­no­lo­gie­ent­wick­lung Direkt­re­duk­tion der Salz­gitter Flach­stahl, zeigte, dass mit dem werks­ei­genen SALCOS-Projekt und einer opti­mierten Kreis­l­auf­wirt­schaft eine kli­maf­reund­liche Pri­mär­stahl­er­zeu­gung bereits ab 2026 möglich sei – und im nächsten Schritt CO2-Ein­spa­rungen von bis zu 95 % im Jahr 2033. Luc Bol, Director Opti­mi­za­tion Iron & Steel bei Tata Steel IJmuiden, ver­deut­lichte, dass für einen erfolg­rei­chen und nach­hal­tigen Übergang neben grünem Was­ser­stoff und erneu­er­baren Energien auch die staat­liche Unter­stüt­zung sowie recht­zei­tige und sorg­fäl­tige Geneh­mi­gungen not­wendig seien. Heike Denecke-Arnold stellte die Pro­zess­si­cher­heit bei der grünen Stahl­her­stel­lung in den Vor­der­grund. Sie betonte, dass im Projekt tkH2Steel die Pro­duk­ti­ons­pro­zesse im Stahl­werk inklu­sive des Kon­ver­ters bestehen bleiben. Bewährte Qua­li­täts­kon­zepte müssten somit nicht ver­än­dert werden, und die Sta­bi­lität in den Zulas­sungs­pro­zessen sei wei­terhin gewähr­leistet. Myung­kyun Shin, Senior Vice Pre­si­dent POSCO, stellte das Projekt HyREX vor, dessen Tech­no­logie ein wich­tiger Faktor im zukünftig ange­spannten Markt für Direkt­re­duk­tions-Pellets werden kann: die Erzeu­gung von DRI (Direct Reduced Iron) aus Fein­erzen ohne vor­ge­schal­tete Agglo­me­ra­tion.

Die Elek­tro­stahl-Unter­nehmen sind pro­zess­be­dingt schon heute in der Kli­ma­neu­tra­lität einen Schritt weiter. Doch auch sie stehen vor großen Her­aus­for­de­rungen: einer­seits die Umstel­lung des Ener­gie­ein­satzes im Licht­bo­ge­nofen auf 100 % Ökostrom, ande­rer­seits die Aus­wir­kungen der Trans­for­ma­tion auf den Schrott­markt. Genau an diesem Punkt setzten die Aus­füh­rungen von Jean-Frédéric Cas­ta­gnet an, Director Tech­no­logy & Inno­va­tion der Georg­ma­ri­en­hütte, der die Not­wen­dig­keit der Wei­ter­ent­wick­lung von Kreis­l­auf­wirt­schaft und Circular Economy her­vorhob. Thomas Reiche vom FEhS-Institut wies anschlie­ßend darauf hin, dass noch viel For­schungs­a­r­beit not­wendig sein wird, um die Qualität und Eigen­schaften der neuen Schla­cken der CO2-neu­tralen Stahl­her­stel­lung zu erhöhen, so dass sie ein ähnlich gefragtes Produkt auf dem Markt sein können wie der heutige Hüt­ten­sand.


Wer einen Eindruck der Konferenz gewinnen möchte oder selber da war und noch einmal den Besuch Revue
passieren lassen möchte, kann dies gerne mit diesem kurzem Film tun:

ESTAD 2023


Teilnehmerdiskussion in der Pause

Beson­deres Augen­merk galt auch den tech­no­lo­gi­schen Lösungen der Anla­gen­bauer für die grüne Stahl­her­stel­lung, deren Inno­va­ti­ons­kraft mit­ent­schei­dend über den Erfolg der Trans­for­ma­tion sein wird. Im Fokus standen ins­be­son­dere die ver­schie­denen Mög­lich­keiten der was­ser­stoff­ba­sierten Direkt­re­duk­tion sowie des anschlie­ßenden Ein­schmel­zens des DRI im Electric Arc Furnace und im Open Bath Furnace bzw. Sub­merged Arc Furnace. Voll­kommen einig waren sich alle Anla­gen­bauer darin, dass sich der Übergang weltweit mit unter­schied­li­cher Geschwin­dig­keit und über Jahr­zehnte hin­ziehen wird. Die EU, die USA und die asia­ti­schen Indus­trie­na­ti­onen würden mit der Instal­la­tion der grünen Stahl­her­stel­lung beginnen, aber Politik und Märkte werden Zeit brauchen, um Anreize und Bedin­gungen für die grüne Trans­for­ma­tion zu schaffen. Ins­be­son­dere die Fest­le­gung einer Defi­ni­tion von „Grün­stahl“, eines grünen Label­sys­tems und die Schaf­fung grüner Leit­märkte stellen hierbei die Her­aus­for­de­rungen dar.

Einer von 550 Fachvorträgen

In den knapp 550 Fach­vor­trägen des zweiten und dritten Kon­fe­renz­tages konnten sich die Teil­nehmer umfas­send infor­mieren über die neuesten Ent­wick­lungen in den The­men­fel­dern Eisen- und Stahl­er­zeu­gung, Walzen und Schmieden, Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0, Ober­flä­chen­tech­no­logie, Stahl­werk­stoffe und additive Fer­ti­gung sowie natür­lich CO2-Min­de­rung, Umwelt­schutz und Energie. Session-über­grei­fend waren die inhalt­li­chen Schwer­punkte die Direkt­re­duk­tion, die Was­ser­stoff-Metall­urgie, das Ein­schmelzen von DRI, KI in der Pro­duk­tion bis hin zum selbst­ler­nenden Stahl­werk, Model­lie­rung der Prozesse, Opti­mie­rungen der Kreis­l­auf­wirt­schaft, Rein­heits­grad von Stählen, neue Stahl­werk­stoffe und additive Fer­ti­gung. Mit diesen Schwer­punkten bediente die ESTAD einer­seits die zwei großen Themen Deka­r­bo­ni­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung, ande­rer­seits aber auch die tra­di­ti­o­nellen Themen der Eisen- und Stahl­her­stel­lung. Nach drei Vortrags- und Dis­kus­si­ons­tagen schloss die ESTAD am 16. Juni ihr Programm mit Werks­be­sich­ti­gungen bei thys­sen­krupp Steel, Hüt­ten­werke Krupp Man­nes­mann, Arce­lor­Mittal Duisburg, Tata Steel IJmuiden und Deutsche Edel­stahl­werke Spe­ci­alty Steel Witten.

Mit ihren Teil­nehmer- und Vor­trags­zahlen sowie dem breiten und modernen The­men­spek­trum konnte die ESTAD eine absolute Erfolgs­story schreiben. Doch darüber hinaus freute sich das Stahl­in­stitut VDEh als Ver­an­stalter beson­ders, nach der jah­re­langen Pandemie nun wieder Metall­urgen und Werk­stoff­tech­ni­kern aus der ganzen Welt eine Platt­form geben zu können, um sich wei­ter­zu­bilden, Ideen aus­zu­t­au­schen und zu dis­ku­tieren. Denn ohne dies wird die Trans­for­ma­tion nicht gelingen.

Ausschnitt aus dem Graphic Recording der ESTAD